Forum

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“Forum”

2005/2006

Köln, Galerie Stracke

Frankfurt, ART

Aschaffenburg, Neuer Kunstverein

Material: Holz, Leinwand, Büttenpapier mit aufgegossenen Zeichen, Neon, VA-Stahl

Größe: 3,2m x 7m x 2,9m

 

FORUM

Der römische Begriff Forum steht für die grundsätzliche Organisation des öffentlichen Lebens in einer Stadt. Forum kennzeichnet den Lageplan eines urbanen Zentrums, in dem alle Belange der zivilen Gesellschaft und des Handels geregelt werden. Geplant wird das gesellschaftliche Zusammenleben im Römischen Reich. Der Plan ist ein System, innerhalb dessen alles Leben geordnet abgewickelt wird. Der Mensch verschwindet hinter den Rastern der Funktion, die er sich als sinnvolles Mitglied der Gesellschaft selbst auferlegt.

Mit seinem Raum FORUM nähert sich Ulrich Wagner wie bereits in anderen Raumarbeiten dem Planleben und Plansterben. Geometrische Zeichen fügen sich in 

forum1einer gerasterten Strenge zu Gitterstrukturen, deren Bedeutung assoziativ deutlich wird, ohne konkret zu deuten. Gigantische Städte, die Millionen von Menschen fassen und organisieren sollen, werden zu austauschbaren Quadraten und Rechtecken.

In früheren Arbeiten wie BLACK BOX tauchte neben den Reißbrettvisionen von Mexico City und Manhattan auch die T-förmige Entwesungskammer in Auschwitz auf. Die unfassbare funktionale Banalität und die strukturelle Ähnlichkeit zwischen den Todesfabriken und den Metropolen der Neuzeit machten klar, dass selbst einfache geometrische Zeichen durch die Belegung mit Bedeutung ihre Unschuld verloren haben.

Diesem Umstand begegnet Wagner auch in FORUM mit hieratischer Strenge und schafft einen Raum, der an ägyptische Grabkammern erinnert. Doch seine hieroglyphenhaften Zeichen sind in ihrer semantischen Offenheit nur entfernt verwandt mit den Ideogrammen Ägyptens, wenngleich auch die hieroglyphischen Kult- und Totenbücher bis heute nicht völlig enträtselt werden konnten. So entsteht eine semantische Nische, in der das offenbar Unsagbare ungesagt bleiben kann. Genau für diese Nische schafft Ulrich Wagner Räume, die den Betrachter architektonisch wie optisch zu einer Haltung von Respekt zwingen. Bereits das Betreten kann nicht ohne eine gebückte Körperhaltung unternommen werden. Nicht unbedingt Demut ist die Folge, aber ganz sicher Konzentration.

In FORUM wirft der spiegelnde Fußboden den gebeugt zu Boden schauenden Betrachter optisch, die zu vermeidende Berührung der Decke mit dem Kopf haptisch auf sich selbst zurück. Grundlegende Struktur ist ein Gitter aus kleinen Quadraten, auf denen oder zwischen denen Zeichen und Kürzel architektonischer Sprache sichtbar werden. Dabei wird die Strenge der vertikal-horizontalen Zeichenanordnung durch diagonale Ordnungen aufgebrochen, die in ihrer Dynamik stets auf die mögliche Aushebelung des Systems verweisen.

 Wagners sichtbare Gitterraster sind möglicherweise Andeutungen von Manhattan, möglicherweise von Mexico City, möglicherweise Spuren des antiken Forums von Colonia Claudia Ara Agrippinensium, möglicherweise Spuren des antiken Militärlagers Divitia.  Sie visualisieren einen geplanten urbanen Raum. Wagners Raum organisiert den Akt des Betretens und den der Wahrnehmung. Im Zentrum steht das Titel gebende Deckenmotiv mit architektonischen Andeutungen des antiken Kölner Forums.

FORUM als Raum deutet durch optische Zeichen historische Modelle einer Lebensform an und ist selbst Modell. Als modellhafte Möglichkeit taucht auf, was historisch der Fall sein kann. Das römische Köln, das Militärlager Deutz. Die quadratischen Gebäude mit den quadratischen Atrien im Innern, abgeschottet vom Draußen der Straße. Die privaten Gebäude mit den Altären der Hausgötter. Die Tempel der Staatsgötter auf dem Forum. Und darüber und darunter wieder Manhattan, Mexico City … Analogien ohne semantische Sicherheit gestehen dem Konstruktiven seine Freiheit zu.

Dem klassischen White Cube eines musealen Raumes, der sich der neutralen Präsentation von künstlerischen Ideen verschrieben hat, setzt Wagner einen Dunkelraum entgegen, der stets Raum im Raum ist und den Umraum völlig aufhebt. Wie die Cellae der Podiumstempel eines antiken Forums, die hinter einem Säulenumgang den heiligen Dunkelraum umschlossen, konfrontiert Wagner in FORUM den Betrachter mit der Struktur eines Wissens, das sich nicht entschlüsseln lässt. Stadttore, Ausfallstraßen, urbane Bewegungsachsen werden übereinander gelegt zu einem Zeichencluster, das bei aller Einfachheit der Einzelzeichen die Komplexität des Systems mit den möglichen gesellschaftlichen Analogien verdeutlicht. Hierfür hat Ulrich Wagner ein ästhetisches Forum geschaffen.

Joachim Geil

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